Mount Kinabalu

Letztes Jahr bin ich zu einem Multisports Projekt am Mount Kinabalu in Malaysia gereist. Meine Geschichte des schönen und abenteuerlichen Trips gibt es hier:

Der Mount Kinabalu hat ein riesiges Gipfelplateau aus Granit was wie ein gerade erst erstarrter, grauer Lavastrom aussieht. Die höchsten Punkte ragen als Türme aus dem Plateau heraus und verstärken den unwirklichen Ausblick. Etwas unterhalb des Gipfelplateaus beginnt eine erste Vegetationszone die ab ungefähr 3300m in einen der ältesten Regenwälder übergeht. Immer wieder steigen vom Wald dichte Wolken hinauf und verändern die Sichtverhältnisse im Minuten Takt.  Als ich oben auf dem Gipfel dieses unglaublich hohen Berges stand, brannten sich diese Details in mein Gedächtnis ein und ließen mich einen meiner  schönsten und höchsten Sonnenaufgänge erleben.  Dass es möglich wäre diesen Gipfel gemeinsam mit meinem Einrad zu erklimmen und die Abfahrt zu versuchen, hätte ich wenige Stunden zuvor noch nicht zu hoffen gewagt.Auf über 4000m eine Einrad Abfahrt zu beginnen ist ein lange gehegter Traum von mir. Da es in Europa keine so hohen unvergletscherten Berge gibt ist die Verwirklichung dieses Traums aber nicht mit einem kurz Trip in die Alpen möglich. Als ich von Daniel Peis die Einladung bekam an einem Multi Sports Projekt, auf dem 4095m hohen Mount Kinabalu in Malaysia teilzunehmen, musste ich daher nicht lange überlegen bevor ich zusagte. Trotz großer Vorfreude war ich während der Anreise noch skeptisch ob alles klappen würde. Selbst zu Fuß war ich noch nie auf einem so hohen Berg gewesen. Durch meinen engen Terminplan blieben mir nur sieben Tage, in denen ich auf gutes Wetter, eine schnelle Akklimatisation und vor allen Dingen eine Abfahrt ohne schwere Stürze angewiesen wäre. Dass diese Risiken am Ende die kleinsten Probleme am Mount Kinabalu werden sollten, wäre mir im Vorfeld niemals in den Sinn gekommen.

Meine Reise ging von Frankfurt über Seoul nach Kota Kinabalu so dass ich einen ganzen Tag, meinen 27. Geburtstag, in Zügen, Flugzeugen und auf deren Haltestationen zubringen musste. In Malaysia angekommen konnte ich durch die Zeitverschiebung nicht schlafen und verbrachte die erste Nacht in geselliger Runde mit zwei Teilnehmern des Projekts. Sorgen bereitete mir der wenige Schlaf keine, da der erste Tag noch nicht am Berg verbracht werden sollte.

Am nächsten Morgen erwartete mich die erste Überraschung der Reise. Wegen einer kurzfristigen Änderung im Zeitplan mussten wir doch direkt von See-Level bis auf 3700m aufsteigen. Trotz des Schlafmangels, ich war schon seit 48 Stunden fast durchgängig wach, fühlten sich meine Beine gut an und der Aufstieg bereitete mir keine Probleme. Für heute war glücklicherweise noch nicht der Gipfel, sondern nur der Aufstieg zur Sayat Sayat Hütte, die in den nächsten Tagen unsere Base Camp werden würde, geplant. Angereist war ich nur mit einem kleinen Rucksack, da Porters mein restliches Gepäck inklusive meines Einrads hochbringen sollten.

Am nächsten Tag, nach einer Nacht die ich ohne Probleme wie ohnmächtig durchschlief, kam leider die nächste Überraschung des Projekts. Die Nationalpark-Verwaltung weigerte sich, mein Gepäck auf den Berg zu bringen, da jegliches Radfahren dort nicht erlaubt sei. Mir war im Vorfeld zugesichert worden, dass alle Genehmigungen da wären. Irgendwas musste schiefgelaufen sein, so dass ich auf 3700m ohne Gepäck und vor allen Dingen auch ohne Sportgerät war. Glücklicherweise hatte ich immerhin meinen Schlafsack.

Am ersten Tag war ich noch guter Dinge, dass sich bald alles klären würde und ich genoss jede Minute, auf meinen höchsten und schönsten Berg. Zusammen mit dem Mountainbiker des Teams, Lyudmil Ivanov, der das gleiche Problem wie ich hatte, durchkletterte ich die höchste Via Ferrata (Klettersteig) der Welt und verbrachte Zeit mit dem restlichen Team. In der Sayat Sayat Hütte waren zehn Team Mitglieder die am Mount Kinabalu waren um zu Klettern, Highlinen und Paraglidern zu fliegen.

Die nächsten 2 Tage verbrachte ich auf die Genehmigung wartend und wurde zunehmend pessimistischer. Ein Plan B musste her. Mein Traum war es zwar auf dem Gipfelplateau des Berges zu fahren,  da dies aber immer unmöglicher wurde beschloss ich zusammen mit Lyudmill abzusteigen und abseits vom Berg schöne Trails zu suchen. Zuvor wollten wir aber wenigstens zu Fuß den Gipfel erklimmen. Früh morgens um 4 Uhr fingen wir in einer kleinen Gruppe an, die letzten Höhenmeter bis zum Gipfel zu ersteigen. Jeder Meter des Aufstiegs lies uns immer besser erahnen was für einen Ausblick wir am Gipfel haben würden, so dass wir motiviert und zügig durch die schwindende Dunkelheit liefen. Zum perfekten Zeitpunkt, den Sonnenaufgang erreichten wir den Gipfel und wurden von dem Ausblick überwältigt. Endliche konnten ich meine Blicke über die surreale Landschaft gleiten lassen und jedes Detail in meinem Kopf abspeichern um noch lange die Erinnerung an diese Landschaft zu behalten. Trotz dieses unglaublichen Ausblickes konnte ich den Moment nicht völlig genießen. Eigentlich wollte ich mit meinem Einrad auf dem Gipfel stehen und in freudig-angespannter Erwartung auf meine höchste Einrad-Abfahrt sein.

Nach einigen Stunden stieg ich wehmütig wieder vom Gipfel ab. Um die fehlende sportliche Herausforderung etwas zu kompensieren starteten wir ein Trail -Rennen mit unserem Mountain-Guide. Natürlich hatten wir keine Chance gegen den, jeden Stein kennenden, Local. Spaß machte es trotzdem die steilen Stufen herunterzuspringen. Dies wurde auch von unseren am Ende schmerzenden Knien nicht beeinflusst.

Am Berg Fuß angekommen ging es als erstes wieder nach Kota Kinabalu um einen Jeep zu mieten. Die Stadt hatte ich auf dem halb im Schlaf verbrachten Hinweg nicht richtig wahrgenommen und wurde von dem plötzlichen Wechsel überrascht. Von 0° zu über 40° in wenigen Stunden. Von der Stille der Natur zu Lärm und scheinbar ungeordneten Chaos in der Stadt.

Zum Glück brachen wir schnell wieder auf um in der ländlichen Gegend rund um den Berg Trails zum Mountainbiken und Einradfahren zu finden. Die erwies sich relativ schwer. Zwar gab es viele Wege, auf denen die lokalen Bauern unglaubliche Mengen von Landwirtschaftlichen Produkten auf Rollern und Autos transportierten, über Straßen, in denen in Deutschland viele nicht mal mit einen Jeep fahren würden. Eine Herausforderung mit unseren Sportgeräten waren diese Wege aber trotzdem nicht.

Nach zwei Tagen Herumfahren, Schlafen in Hängematten, die wir an unser Auto hängten (keine gute Idee, außer man schläft gerne schaukelnd) und wenigen richtig guten Trails, kam ein überraschender Anruf von unseren Kollegen im Basecamp. Nach langem Verhandeln erhielten sie eine neue Genehmigung, so dass wir doch noch am Gipfel Radfahren durften. Nach kurzem Überlegen merkten wir aber, dass uns das auch nicht mehr viel helfen würde. Unsere Expeditionsgenehmigung galt nur noch einen Tag und nur in Verbindung mit dieser wäre Sport am Mount Kinabalu möglich. Wir entschlossen uns trotzdem so schnell wie möglich zum Berg zurück zu reisen um zumindest zu probieren, den letzten Tag so gut es geht zu nutzen.

Sobald sich die Tore des Nationalparks am nächsten Morgen öffneten, wollten wir mit dem Aufstieg beginnen. Acht Stunden um über 2000 Höhenmeter hoch und runter zu wandern und ein Fotoshooting auf 4000m abzuhalten. Auch wenn das ganze zeitlich relativ unmöglich war, begannen Lyudmill und ich mit dem Aufstieg. Nach den ersten 500hm merkte ich das Lyudmill immer langsamer wurde. Durch den schnellen Wechsel des Klimas hatte er sich eine starke Erkältung eingefangen, die ihn schwächte. Nach kurzer Rücksprache mit dem Mountain-Guide beschlossen wir trotzdem weiter zu Wandern und erreichten nach einigen Stunden das Gipfelplateau. Kurz nach uns kamen auch unsere Sportgeräte, die wir nicht selbst tragen durften. Endlich waren wir am Ziel der Reise: Mit Einrad und Mountainbike auf einem 4000m-hohen Granitplateau über den ältesten Regenwäldern der Erde. Die schnelle Wanderung steckte mir zwar  ziemlich in den Knochen, aber die Aufregung, endlich vernünftig Einradfahren zu können, ließ alle Muskelschmerzen schnell verschwinden. Gerade die Gewissheit, dass die Genehmigung, auf diesem Berg Rad zu fahren, wahrscheinlich eine einmalige Sache ist, machte jeden gefahrenen Meter zu etwas ganz Besonderem.

Am Gipfel gab es unzählige Möglichkeiten, schwerste Abfahrten zu bewältigen. Dank der ab Mittag üblichen dichten Bewölkung unter uns wurden wir auch vor dem Anblick der steil heruntergehenden Nordwand direkt neben den Trails verschont und konnten uns voll aufs Fahren konzentrieren. Der Granit gab unglaublichen Halt, so dass ich Schrägen von über 30 Grad kontrolliert herunter pedalieren konnte.

Die eine Stunde, die uns die Mountainguides fahren ließen, verging leider wie im Flug und schnell mussten wir wieder an den Abstieg gehen, den wir nur bis zur Sayat Sayat Hütte auf Rädern zurücklegen durften. Der Abstieg im Halbdunkeln über die rutschigen Stufen des Trails verlief gut, auch wenn ich das ein oder andere Mal fast hingefallen wäre.

Beim Rückblick im Flieger am nächsten Tag fiel mir auf, dass ich nicht nur einen Muskelkater aus Malaysia in Gepäck hatte: Die wenigen Tagen waren trotz der völlig anders verlaufenden Reise eine wunderschöne Erfahrung, in denen ich neue Dinge wie Trail Running und Via Ferrata klettern ausprobierte. Eine Reise ist für mich immer ein Ausbrechen aus dem relativ geregelten Alltag. Neue Dinge zu erleben, über seine Grenzen hinausgehen und zu lernen ruhig zu bleiben, wenn nicht alles so läuft wie geplant, war am Mount Kinabalu sehr wichtig. Das gepaart mit der Chance zumindest für eine kurze Zeit auf dem Mount Kinabalu schwerste Einrad Abfahrten zu bewältigen hat die Reise zu etwas ganz Besonderen für mich werden lassen.

Bilder: Oliver Vötter

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